Vor deinem Grab by Alexander Hartung

Vor deinem Grab by Alexander Hartung

Autor:Alexander Hartung
Die sprache: deu
Format: azw3, mobi
Herausgeber: Amazon Publishing
veröffentlicht: 2014-07-14T22:00:00+00:00


Jan hätte sich nicht vorstellen können, dass die Kripo schlimmer belagert werden konnte als bei der Erklärung des Polizeipräsidenten, doch er wurde eines Besseren belehrt. Seine Kollegen versuchten die Presse einerseits vor einer Stürmung der Kripo abzuhalten, mussten aber gleichzeitig auch den Verkehr regeln, der zum Erliegen gekommen war. Die Schreie der Reporter übertönten das Klicken der Kameras. Die Anweisungen der Polizisten gingen in dem Chaos unter. Einzig das wütende Hupen der Autofahrer konnte sich in dem Lärm noch durchsetzen.

Jan umging den Pulk an Reportern und wollte das Gebäude durch den Hintereingang betreten, doch dort bot sich ihm das gleiche Bild. Mit einem Seufzer stürzte er sich in die Schlacht. Er schob sich durch die eng gedrängten Reihen und hatte Mühe, nicht über ein Kabel zu stolpern oder von einer Kamera getroffen zu werden. Er wurde angerempelt, zur Seite gedrängt und an der Schulter festgehalten. Niemand wollte ihn durchlassen, aber er kämpfte sich weiter durch den Pulk schwitzender Leiber, die wie eine Horde Verhungernder nach vorne drängten, als wäre die Kripo der einzige Ort der Stadt, in dem sie noch Brot kaufen konnten.

Fünf Minuten und viele Beleidigungen später kam er an die Absperrung. Die Polizisten hinter dem Metallzaun halfen ihm beim Klettern und entrissen ihn dem wütenden Mob.

Jan setzte sich auf die Treppe. Sein Herz raste wie nach einem langen Sprint, und sein T-Shirt war schweißdurchtränkt. Er war kurz davor, den Einsatz von Tränengas und Wasserwerfern zu befehlen.

»Wie haben die so schnell davon erfahren?«, fragte Jan einen Kollegen.

»Es gab wohl einen anonymen Tipp wenige Minuten nach dem Leichenfund.«

Jan schüttelte den Kopf. Die Presse würde die Ermittlung erschweren. Jeder Handy-Besitzer würde sie verfolgen, in der Hoffnung, ein Foto zu schießen, das er an ein Boulevardblatt verkaufen konnte.

»Ein Wahnsinn.«

»Der Wahnsinn kommt erst noch«, sagte ein Polizist, der einen übereifrigen Fotografen davon abhielt, über die Absperrung zu klettern. »Bergman hat eine Urlaubssperre angeordnet und die Schichten verlängert.«

»Mein Gott. Wie viele sind das?«

»Über zweihundert. Das Umland nicht eingerechnet.«

»Ist das die Informationspolitik der Polizei?«, unterbrach ein Mann das Gespräch. »Sie untergraben die Pressefreiheit. Wir haben ein Recht auf mehr Details.«

Jans Ausbildung hatte ihn auf solche Situationen vorbereitet. Er musste die Ruhe bewahren, auf das Gegenüber eingehen oder ihn einfach ignorieren. Keine Gewalt. Nicht provozieren. Doch heute war ihm nicht nach Diplomatie.

Jan stand auf, streckte dem Mann beide Mittelfinger entgegen und untermalte die Geste mit einem breiten Grinsen. Bergman würde ausrasten, wenn er davon erfahren würde, aber Jans Personalakte war sowieso nicht mehr zu retten. Und es fühlte sich gut an.



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